TG Nürtingen entführt der TG Bad Waldsee mit 2:3 (25:15, 25:16, 27:29, 19:25, 10:15) unerwartet Punkte
Mit zwei Sätzen führen, im dritten Durchgang zwei Matchbälle erreichen und dennoch zu verlieren, gehört zu den schmerzhaftesten Erfahrungen, die man als Volleyballspieler und Fan machen kann. So geschehen am letzten Samstagabend in der Sporthalle der Eugen-Bolz-Schule, als sich der Tabellenvierte TG Bad Waldsee und der Tabellenneunte TG Nürtingen in einem denkwürdigen Duell gegenüberstanden. Um 21.15 Uhr nach exakt 75 Minuten Spielzeit standen der heimischen TG besagte Matchbälle zur Verfügung.
Kein Mensch in der Halle hätte zu diesem Zeitpunkt noch einen Pfifferling auf die Gäste gewettet. Es sollte anders kommen. Eine weitere Dreiviertelstunde später stand wieder ein Matchball auf dem Programm. Dieses Mal für die Gäste aus Nürtingen. In den zwei Stunden Spielzeit konnten die trotz später Stunde zahlreich erschienenen Fans eine phasenweise haarsträubende Berg-und Talfahrt sportlicher Gefühlslagen erleben und durchleiden. Hätte es je eines Beweises für die Rätselhaftigkeit und Ungewissheit eines Volleyballspiels bedurft, an jenem Abend konnte man es erfahren. Je nach Sichtweise in verdienter Freude oder kopfschüttelndem Unverständnis. Am Ende jedoch hielten die Unterländer den Sieg verdient in den Händen, während auf Waldseer Seite Trainerin Evi Müllerschön mit eigenen Worten Verantwortung übernahm: „Es war ich, die es vergeigt hat. Wohl am Ende des dritten Satzes.“ Sie meinte wohl ihre Ein-und Auswechselentscheidungen.
Sie hat es gespürt. Bis dahin plätscherte das Spiel auf durchschnittlichem Oberliganiveau so, wie es die Platzherren einkalkuliert hatten. Man führte frühzeitig mit beruhigendem Vorsprung und konnte diesen, mit einigen Durchhängern versehen, zweimal sicher nach Hause bringen. Etwas knapper stellte sich die Lage in Durchgang drei dar, dennoch schien sich die TG aus der Kurstadt sicher, trotz knappen Vorsprungs zu einem eigentlich erwarteten 3:0 kommen zu können. Diverse Konzentrationsprobleme in unschönem Verbund mit gewisser Überheblichkeit führten zum Ausgleich. Plötzlich standen statt Matchbällen gegnerische Satzbälle in Serie auf dem Programm.
So kam es, zwar unerwartet aber folgerichtig, zum Satzgewinn für die TG Nürtingen. Was dann passierte, mag das Geheimnis von Evi Müllerschöns schwarzblauer Truppe bleiben. In der Folgezeit zerlegte sich das gastgebende Team nach und nach in seine Einzelteile, zwar sichtlich willens, den Lauf der Dinge zu verändern, unfähig jedoch, es auch zu können. Serienweise individuelle Fehler, teils auch verursacht von den routiniertesten Männern der Mannschaft brachten der TG Nürtingen schließlich den Satzgleichstand.
Letztere brauchten lange, bis sie begriffen was da auf heimischer Netzseite abging, griffen dann aber zusehends selbstbewusster zum rettenden Strohhalm. Wenn man das Herz in die Hand nimmt, klappen auch unglaubliche Entwicklungen. Dieser Erkenntnis zollten die rotschwarzen Nürtinger Tribut und zeigten im abschließenden TieBreak ihre ganze Klasse gepaart mit unnachgiebigem Kampfgeist und erfolgreichem Block- und Abwehrverhalten. Auch gelang es ihnen mehr und mehr, in dieser Phase ihren auffälligsten Spieler, jener mit der Nummer sechs, Alexander Benz, höchst erfolgreich ins Spiel zu bringen. Ungezählte Schmetterbälle fanden den Bad Waldseer Boden und zu keiner Sekunde während des finalen Satzes konnte die gastgebende Truppe den Eindruck erwecken, als könnte sie noch einmal die Wende schaffen. Zwar kämpften die Platzherren mit dem Mut der Verzweiflung, allen voran in vorbildlichem Einsatz Libero Paul Breyer, doch es reichte einfach nicht mehr. Als der gegnerische Schlussangriff mittels eines clever gespielten Trickballs abgeschlossen wurde, herrschte im Waldseer Lager beträchtliches Durcheinander. Mindestens drei Spieler lagen am Boden. Vergebens. Ein Bild, symptomatisch für das was geschehen war.
Von Franz Vogel