Happyend für die TG im Volleyballdrama
TG-Herren schlagen in der Volleyball-Oberliga den TSV G.A. Stuttgart mit 3:1 (22:25, 25:18, 25:17, 26:24)
Von Franz Vogel
Es ist eine Geschichte, wie sie nur der Sport schreiben kann. In einem Spiel, das Beteiligte und Zuschauer so schnell nicht vergessen werden. Da erreichte beim Stand von 25:24 nach einer furiosen Aufholjagd die heimische TG ihren zweiten Matchball. Am Aufschlag das jüngste Mannschaftsmitglied Simon Bergmann, ein Junge von 17 Jahren. Schon einiges an Angriffsbällen und Blockaktionen war ihm in diesem Spiel gelungen. Doch jetzt war der Druck übermäßig, die Aufgabe für einen jungen Spieler fast nicht zu bewältigen. Angespannte Stille in der Halle. Die Gesichtszüge Bergmanns konnten seine enorme innere Anspannung nicht verbergen, als er sich gemessenen Schrittes zum Ort des Geschehens bewegte.
Begonnen hatte der Abend mit einer deutlichen Führung der TG, die zunächst mit ihrer Stammsechs ins Spiel gegen den Tabellenfünften gestartet war. Der TSV Stuttgart ist eine Mannschaft mit einer satten Anzahl überaus groß gewachsener ehemaliger Regionalligaspieler. Dementsprechend erwies sich ihre Spielanlage. Falls diese Mannschaft in der Lage war, einen Angriff geordnet aufzubauen, schlugen die überaus starken Angreifer mit krachenden Schmetterbällen zu. Andererseits zeigte sich schnell, wie schwer sich diese gestandenen Spieler tun, wenn es schwierige Bälle anzunehmen oder abzuwehren gilt. Das hieß für das Auer-Team überaus risikoreich aufzuschlagen, um den gegnerischen Spielaufbau im Keim zu ersticken.
Derartiges lässt sich nicht über fast zwei Stunden durchhalten. So entwickelte sich ein überaus ereignisreiches, spannendes Match, in dem die Gäste im ersten Satz knapp aber letztlich verdient die Nase vorne hatten. Es war der TG einfach nicht mehr gelungen, zu Satzende ihr mental sehr belastendes Risikospiel erfolgreich abzuschließen.
Von diesem Verlust zeigte sich die TG während der folgenden zwei Durchgänge wenig beeindruckt. Wechselnde Spielstände sorgten immer wieder für Spannung, während das letzte Satzdrittel die Einheimischen mental und im kämpferischen Verhalten vorne sah. In beiden Sätzen zeichneten sich Jan Herkommer in Annahme und Angriff aus, daneben lieferte Libero Pascal Eisele eine nahezu fehlerfreie Partie. Diese Annahmestabilität ermöglichte Zuspieler Simon Scheerer, klare Pässe zu spielen und für viel Variabilität im Angriff zu sorgen. Als Hauptpunktesammler erwies sich nach schöpferischer Pause höchst überzeugend Pirmin Dewor, während Lucas Romer für wirkungsvolle Aufschlagsserien verantwortlich zeigte. In der Mitte des Netzes agierten Manuel Perner und Ralf Sauerbrey mit ihren Blockaktionen immer wieder überzeugend, dem schloss sich der zur Spielmitte eingewechselte Simon Bergmann nahtlos an. Zu Ende der Sätze sorgte der speziell für Aufschläge eingewechselte Bastian Goll für höchste Alarmstufe im gegnerischen Annahmeblock.
Im vierten Durchgang sahen sich die Landeshauptstädter nicht mehr willens, dem Geschehen weiter ausgeliefert zu sein und besannen sich auf ihre Tugenden. Diese heißen Routine, Geduld, Abgeklärtheit und brillantes Angriffsspiel. Folgerichtig stand es rasch 9:12 aus TG-Sicht. Mit großem kämpferischen Einsatz glich die TG zum 14:14, verlor aber dann die Kontrolle über das Spiel und sah sich schließlich mit 19:23 in Rückstand. Schon schien der TieBreak die logische Folge, als Jan Herkommer mit wunderbar getimten Aufschlägen in Gemeinschaftsarbeit mit seinen Mittelblockern und den Dewor’schen Schmetterschlägen noch einmal ausglich. Unerträgliche Spannung in der Halle. Es sei eingeräumt, dass in dieser Phase das Schiedsrichtergespann einen deutlichen Deckenball als solchen nicht ahndete und die TG somit den Ausgleich schaffte. Dann stand der erste Matchball der TG an – und wurde ein Opfer des gegnerischen Blocks. Die Antwort darauf lieferte Pirmin Dewor mit einem prächtigen Schmetterschlag. Wieder Matchball. Und jetzt lag die ganze Verantwortung auf den Schultern des Jüngsten.
Simon Bergmann hielt dem gewaltigen Druck stand, setzte alles auf eine Karte und servierte einen millimetergenauen, nicht mal allzu scharfen Ball exakt auf die Auslinie des gegnerischen Feldes. Seine Mitspieler begruben ihn in einer Freudentraube und die Halle stand Kopf. Dann löste sich die tiefe Anspannung des Jungen, der sich seiner Tränen verständlicher Weise nicht erwehren konnte. Und sich dafür wahrhaftig nicht schämen muss.